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Land Niederösterreich entwickelt interaktives Online-Serviceportal mit Fabasoft

Petra Stummer, IT-Leiterin Land NÖ, und Bastian Drugowitsch, Geschäftsführer Fabasoft Austria GmbH, im Interview über bürgernahe Online-Services.

Fabasoft

Erstellt am 29. April 2024

Interview Online-Services NÖL

Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Sie in der öffentlichen Verwaltung aktuell – gerade in Zeiten der durch die Digitalisierung gestiegenen Erwartungen? 

Petra Stummer: Die öffentliche Verwaltung, insbesondere die Landesverwaltung, hat sehr vielschichtige Aufgaben in Bereichen wie Bildung, Wirtschaft, Umwelt, Land- & Forstwirtschaft bis hin zur Gesetzgebung. In diesen Feldern sind zahlreiche unterschiedliche Berufsgruppen tätig, wodurch wir die Auswirkungen der beginnenden Pensionierungswelle zu spüren bekommen. Qualifiziertes Personal am Arbeitsmarkt zu finden, ist für die Verwaltung ein ähnliches Problem wie bei Unternehmen und anderen Organisationen. 
Gleichzeitig sind wir als moderne Verwaltung interessiert, die Services und Leistungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen einfach zugänglich zu machen, rund um die Uhr zur Verfügung zu stellen und ohne Medienbrüche zu ermöglichen. Damit sind wir als IT-Dienstleister in einem Spannungsfeld, eine Vielzahl von digitalen Services nach außen anzubieten und gleichzeitig Prozesse innerhalb der Verwaltung zu unterstützen. 

 

In welchen Bereichen erweist sich die digitale Transformation als besonders hilfreich bei den aktuellen Problemstellungen?

Bastian Drugowitsch: Im Bereich der öffentlichen Verwaltung findet sich bereits eine sehr gut digitalisierte Struktur. Das heißt, der elektronische Akt ist ausgerollt und etabliert, Prozesse sind digital abgebildet und Abläufe eingespielt. Das ist das Ergebnis jahrelanger Anstrengungen und professioneller Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Aufgrund dieser Vorarbeit können wir jetzt im Zuge der digitalen Transformation besonders gut mit zusätzlichen Angeboten unterstützen. Infolge der Pensionierungswelle und der steigenden Anforderungen fokussieren wir im nächsten Schritt auf jene Bereiche, in denen Behörden rasch Nutzen stiften können: Das ist einerseits die Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen. Ein weiteres Thema ist der Einsatz von intelligenten Automatisierungen, um Prozesse zu beschleunigen, die Servicequalität weiter zu verbessern und einem demografisch bedingten Know-how-Verlust entgegenzuwirken. Dabei haben wir die Möglichkeit, quer durch die Verwaltung Unterstützung zielgerichtet dort anzubieten, wo diese benötigt wird.

 

Wie wollen Sie im Land Niederösterreich diese Herausforderungen meistern? Welche Maßnahmen ergreifen Sie? 

Petra Stummer: Wir müssen den Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen begegnen: Dazu gehört einerseits die Positionierung der Landesverwaltung als interessanter, vielfältiger Dienstgeber, die Qualifizierung des Personals durch permanente Weiterbildung sowie die Lehrlingsausbildung in den unterschiedlichen Berufssparten. Andererseits steht die digitale Transformation im Fokus: Digitale Prozesse innerhalb der Verwaltung sind durch den elektronischen Akt in allen Dienststellen der Niederösterreichischen Landesverwaltung bereits seit Jahren gegeben. Die Onlineantragstellung und die Erfahrungen zur Automatisierung im Bereich Förderungsabwicklung in den Fachanwendungen führten zu einer massiven Effizienzsteigerung. Gerade bei Berufsgruppen, die viel im Außendienst bei Betrieben oder im freien Feld tätig sind, realisiert die Ausstattung mit mobilen Endgeräten und der Zugriff auf sämtliche zentrale Services wie den elektronischen Akt sowie Karten inklusive GPS-Nutzung ein effizientes und medienbruchfreies Arbeiten.

Für die einfache Kommunikation mit Externen (Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und anderen Gebietskörperschaften) entsteht gerade ein niederösterreichisches Online-Serviceportal, umgesetzt mit den Low-Code-/No-Code-Online-Services der Firma Fabasoft. Diese Plattform ermöglicht Interaktion und Zusammenarbeit auf einem digitalen Kanal mit der NÖ Landesverwaltung durch Formulare, gemeinsame Dokumentenablage mit Optionen zur Akteneinsicht sowie transparenten Informationen zum Bearbeitungsstatus.

 

Wie können sich Bürgerinnen und Bürger das Serviceportal vorstellen? 

Bastian Drugowitsch: Auf der Plattform stehen alle Online-Services zur Verfügung, die die Behörde anbietet – zum Beispiel für unterschiedlichste Förderungen. Antragstellerinnen und Antragsteller füllen diese einfach direkt online aus, fügen notwendige Beilagen hinzu und übermitteln sie an die Behörde. Zusätzlich können die Einbringerinnen und Einbringer eine Statusinformation einsehen und wissen immer, welche Anträge sich gerade in Bearbeitung befinden oder ob noch weitere Informationen notwendig sind. Auf der Seite der Verwaltung erhalten die zuständigen Bearbeiterinnen und Bearbeiter die eingebrachten Anträge und Informationen automatisch über bestehende Prozesse direkt und medienbruchfrei in den elektronischen Akt. So entsteht ein Ende-zu-Ende durchgehend digitaler Prozess von den Bürgerinnen und Bürgern zur Behörde und wieder zurück. Das bildet die Grundlage für Qualität, Effizienz, intelligente Automatisierung und für eine immense Entlastung der Mitarbeitenden, dadurch profitieren alle Beteiligten. 

 

Das Land Niederösterreich hat Anfang des Jahres mit einem Kick-off-Event die Umsetzung des Online-Serviceportals gestartet. Was sind die nächsten Schritte?

Petra Stummer: Das Online-Serviceportal befindet sich aktuell im Aufbau, und wir rechnen Mitte dieses Jahres damit, dass der sogenannte Teamroom, das Kernstück der Plattform, wo sich Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen mit der Behörde zu laufenden Verfahren austauschen können, umgesetzt ist. Die anschließenden Testungen einfacher Formulare und Online-Services sollen noch im dritten Quartal erfolgen. Die Erprobung der Authentifizierung inklusive eines ersten Verfahrens in der Abteilung Anlagenrecht der niederösterreichischen Landesverwaltung wird im ersten Quartal 2025 stattfinden. Basierend auf diesen Erfahrungen und den wiederverwendbaren Komponenten wollen wir in Serie gehen und weitere Verfahrensabwicklungen in das Serviceportal integrieren. 

Interview Online-Services NÖL

 

Fabasoft ist maßgeblich an der Einführung des niederösterreichischen Serviceportals beteiligt. Wie erfolgt die Zusammenarbeit?

Bastian Drugowitsch: Durch die jahrelange Kooperation mit dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und unseren Projektbeteiligten, die aktiv an der Realisierung des Serviceportals mitarbeiten, gestaltet sich die Zusammenarbeit sehr professionell, zielorientiert und reibungslos. Regelmäßige Treffen ermöglichen einen wichtigen Informationsaustausch, von dem beide Seiten profitieren und aus dem sich der optimale Einsatz der Produkte und Potenziale ableitet. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier rasch einen echten Mehrwert für die Beschäftigten in der Niederösterreichischen Landesregierung und auch für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen schaffen können.   

 

Warum ist es notwendig, Online-Services anzubieten? Was sind die Beweggründe im Land Niederösterreich? Welche Ziele wollen Sie mit diesem Projekt erreichen?

Petra Stummer: Wir haben nach technischen Lösungen gesucht, um digitale Services für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu erstellen, ohne aufwendige Entwicklung sowie Wartung durch IT-Spezialistinnen und Spezialisten. Dafür bietet sich die Technologie der No-Code-/Low-Code-Plattform an. Im Rahmen eines Proof of Concept mit unserem langjährigen Partner Fabasoft stellten wir fest, dass die hier angebotene Integration in die bestehende eGov-Suite des elektronischen Akts sehr viele Vorteile mit sich bringt. Dadurch können wir die bisherigen Investitionen in das System weiterverwenden und das umfassende Know-how der Mitarbeitenden bleibt erhalten. Das 24/7 zur Verfügung stehende Online-Serviceportal bietet die Möglichkeit, die Kommunikation mit der Landesverwaltung neu und interaktiv zu gestalten und Prozesse zu beschleunigen. 

 

Low-Code/No-Code ermöglicht auch Verwaltungsangestellten ohne IT-Fachwissen, neue Antragsverfahren zu entwickeln. Wie funktioniert das?

Bastian Drugowitsch: Für die Erstellung von neuen Verfahren sind mit Low-Code/No-Code keine Programmierkenntnisse notwendig, da Formulare nicht von Grund auf neu zu entwickeln sind, sondern quasi ein Baukastensystem zur Verfügung steht, das immer wieder verwendbar ist. Notwendige Felder für ein neues Formular sind demnach bereits vorhanden und einfach kombinierbar. Die Beschäftigten legen selbstständig fest, was von den Antragstellerinnen und Antragstellern verpflichtend auszufüllen ist, welche Beilagen notwendig sind und definieren gleichzeitig den behördeninternen Prozess. Das eignet sich insbesondere für Mitarbeitende, die die Abläufe und verbundenen Prozesse gut verstehen, aber technisch nicht mehr mitbringen müssen als eine gewisse IT-Affinität. Low-Code/No-Code stellt damit eine zeitgemäße Antwort auf die aktuelle Herausforderung dar und kann die Flexibilität der Anwendungsbereitstellung erhöhen sowie die Time-to-Market deutlich beschleunigen. Als Behörde ist es dadurch möglich, autark, rasch und ressourcenschonend auf neue Entwicklungen und Anforderungen zu reagieren.

 

Welche Voraussetzungen braucht es, um dieses wichtige Thema, die Bereitstellung von Online-Services, effizient und nutzenstiftend umzusetzen?

Petra Stummer: Der Erfolg innovativer Projekte in der öffentlichen Verwaltung hängt auch wie bei Unternehmen von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören ausgereifte Technologien, die durch die Wiederverwendbarkeit von Komponenten eine rasche Umsetzung ermöglichen. Außerdem braucht es ein kompetentes Projektteam und einen professionellen Partner, der die Anforderungen, in diesem Fall jene der Verwaltung, versteht.

 

Welche weiteren Potenziale sehen Sie neben den Online-Services, um den anfangs erwähnten Herausforderungen zu begegnen?

Petra Stummer: Natürlich beschäftigen wir uns auch mit dem Einsatz anderer neuer Technologien wie Drohnen, um den Aufwand für Begehungen zu reduzieren, oder den Möglichkeiten von Automatisierungen und künstlicher Intelligenz, zur Unterstützung von Beschäftigten bei repetitiven Aufgaben. Dazu gibt es erste Versuche, und wir halten es hier wie bei den Online-Services: Mit konkreten Anwendungsfällen evaluieren wir im Rahmen eines Proof of Concept die Funktion und den Nutzen.

 

Wie unterstützt Fabasoft die öffentliche Verwaltung, die digitale Transformation künftig weiter voranzutreiben?

Bastian Drugowitsch: Wir sind laufend dabei, innovative Produkte für unsere Kunden zu entwickeln und zum Einsatz zu bringen. Die logische Weiterführung der Ansätze, um dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken, ist eine Unterstützung der Mitarbeitenden mittels intelligenter Automatisierung. Dafür haben wir mit Fabasoft Done! eine Solution für unsere Kunden, welche die Qualität und die Geschwindigkeit der Prozessabarbeitung deutlich steigert. Das entlastet nicht nur Beschäftigte, sondern überführt auch das Wissen von Expertinnen und Experten in ein Regelwerk innerhalb des Systems. Dadurch erfolgen viele Schritte in den Prozessen vollkommen automatisiert oder teilautomatisiert. Ziel ist es, dass die Mitarbeitenden den Fokus ihrer Tätigkeit weg von repetitiven hin zu anderen wesentlichen Aufgaben legen können. Weitere Felder sind der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Kontext von konkreten und wirksamen Anwendungsfällen sowie die konsequente Weiterentwicklung unseres Ökosystems zur Schaffung von idealen Synergien zwischen unseren Solutions. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Bedürfnisse der Verwaltung, für einen raschen und zielführenden Nutzen. 

 

 

Mag. Petra Stummer ist Leiterin der IT-Abteilung beim Amt der NÖ Landesregierung.

Mag. Bastian Drugowitsch, Bsc ist Geschäftsführer der Fabasoft Austria GmbH.